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Wissenschaft und Religion im Konflikt - warum?
„Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind.“
Zitat: Albert Einstein
Neurowissenschaft: Forscher finden Hinweise darauf, dass gläubige Menschen eher analytisches Denken unterdrücken, Atheisten wiederum unempathischer sind.
Hintergrund: Der Streit zwischen Kreationisten und modernen Naturwissenschaftern ist wohl das prominenteste Beispiel dafür, wie sich Wissenschaft und Glaube oder Religion oft diametral gegenüberstehen. Warum das auch auf neuronaler Ebene so ist, untersuchten nun US-amerikanische Forscher der Case Western Reserve University in Cleveland und des Babson College in Wellesley und liefern in der Online-Fachzeitschrift "Plos One" ein mögliches Indiz.
In einer Forschungsserie mit acht Experimenten fanden sie heraus: Menschen, die an einen Gott oder eine übernatürliche Entität glauben, eher ein Gehirnnetzwerk unterdrücken, das für analytisches Denken gebraucht wird. Stattdessen ist ihr empathisches Netzwerk vermehrt aktiv. Bei Personen, die ihre Umwelt rein analytisch betrachten, ist das genau umgekehrt, so die Forscher.
Die Denkmuster bestimmen das aktive System
In ihrer Studie stützen sie sich auf die Hypothese, dass das menschliche Gehirn zwei einander entgegenwirkende Bereiche besitzt: In früheren Forschungsarbeiten hat das Labor des Studienautors Anthony Jack an der Case-Universität per funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI) Hinweise darauf gefunden, dass einer dieser Bereiche, das analytische Neuronen-Netzwerk, uns kritisches Denken ermöglicht.
Religiöse, spirituelle Menschen nutzen häufiger ihr soziales, als ihr analytisches Neuronennetzwerk, so die Forscher! |
Dem gegenüber steht das soziale Gehirn-Netzwerk, das uns dazu befähigt, sich in andere einzufühlen. Je nachdem, ob man etwa mit einem physikalischen Problem konfrontiert wird, bei dem man über Objekte, Mechanismen und Ursachen nachdenken muss, oder mit einem ethischen Dilemma, bei dem Emotionen wichtig sind, wird eines der beiden Netzwerke aktiviert, das andere unterdrückt. Dies ist vor allem dann interessant, wenn Personen mit unterschiedlichen Reizen zu tun haben. Die Wissenschafter vermuten, dass dann die individuellen Denkmuster und Fähigkeiten bestimmen, welches Netzwerk aktiviert wird. Spirituelle Themen dürften zu solch uneindeutigen Reizen gehören, die sowohl auf die eine als auch auf die andere Weise betrachtet werden können. ...
Ein Korrelation von Empathie und Gläubigkeit
In acht Experimenten ging das Forschungsteam der Frage nach, inwiefern Glaube mit sozialer und emotionaler Kognition zusammenhängt und welche Rolle analytisches Denken darin spielt. Sie befragten jeweils 159 bis 527 Erwachsene per Online-Fragebogen, wie sie sich selbst in Bezug auf verschiedene Parameter einschätzten. Ein wichtiges Maß war moralische Betroffenheit, die Empathie und soziales Verhalten schätzen sollte. Dazu wurde auf einer Skala bewertet, wie sehr man Aussagen wie "Ich mache mir oft Sorgen um Menschen, die weniger Glück haben als ich" zustimmt. Außerdem unterzogen sich die Probanden einem Test zu kognitiver Reflexion, um das analytische Denken zu evaluieren, und bewerteten ihren Glauben an eine übernatürliche Gottheit.
Laut den Forschungsergebnissen kann die Beziehung zwischen analytischem Denken und Nicht-Glauben teilweise dadurch erklärt werden, dass analytische Denker einen geringeren Wert bei moralischer Betroffenheit erzielten(!), er verfügt über weniger Empathie (weniger Gefühl). Im Gegensatz dazu korrelierten empathisches Empfinden und Religiosität oder Spiritualität positiv miteinander. Dies hing allerdings nicht mit der Fähigkeit, menschliches Verhalten und die zugrunde liegenden Bedürfnisse und Wünsche zu interpretieren (mentalizing), zusammen – diese war bei den Analytikern wie bei den Gläubigen sehr ähnlich ausgeprägt. Empirische und moralische Wahrheit "Wenn man Empathie empfindet, bedeutet das nicht zwangsweise, dass man anti-wissenschaftliche Überzeugungen hat", sagt Jared Friedman, Koautor der Studie. "Unsere Ergebnisse zeigen stattdessen, dass wir unsere Fähigkeit zu sozialen und moralischen Erkenntnissen beeinträchtigen, wenn wir uns nur auf logisches Denken beschränken." (Anm.: Ähnlich wenige Gefühle bzw. mangelhafte Empathie und Gefühlsverarbeitung findet man auch bei psychopathisch veranlagten Personen.)
Dies Untersuchungsergebnisse passe zur philosophischen Sichtweise Immanuel Kants, nach der es "zwei verschiedene Wahrheiten" gibt – die empirische, rein logische und die moralische Wahrheit, so der Philosophie- und Kognitionswissenschaftsabsolvent. Dadurch, dass die beiden Gehirn-Netzwerke einander unterdrücken, könnten sie aber auch zwei Extreme schaffen, sagt Richard Boyatzis, der ebenfalls an der Studie beteiligt war: "Indem wir begreifen, dass das Gehirn auf diese Weise funktioniert, können wir die Debatten, in denen es um Wissenschaft und Religion geht, vielleicht vernünftiger und ausgeglichener gestalten."
Resümee
Die Forscher weisen klar darauf hin, dass gläubige, spirituelle Menschen viel empathischer und prosozialer sind." Gerade Religionen (vor allem die alten Religionen) trugen bisher jedoch häufig dazu bei, Personen zu diskriminieren, die nicht in ihr Weltbild, zu ihrem Glauben passen. In einem der Experimente erhoben die Forscher, wie sehr sich die Befragten mit der gesamten Menschheit identifizierten, und fanden heraus, dass auch dieser Wert positiv mit Gläubigkeit und negativ mit analytischem Denken zusammenhing. Hier könnte die Studie allerdings an ihre Grenzen stoßen, da in den meisten Befragungen nur nach der Selbsteinschätzung gefragt wurde.
Quellen: Plos One: "Why Do You Believe in God? Relationships between Religious Belief, Analytic Thinking, Mentalizing and Moral Concern", u.a.
Quelle Anm.: Eggetsberger-Info, IPN-Forschung
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